Heute wird es theoretisch. Aber keine Sorge, was sich zunächst ziemlich langweilig anhören mag, ist in Wahrheit super spannend und nützlich noch dazu. Das theoretische Wissen hilft nämlich bei der Gartenarbeit ganz praktisch weiter. Wir wollen Sie gar nicht mit zu vielen Details überhäufen, sondern beschränken uns auf das wichtigste. Es geht um die Verwandtschaftsbeziehungen von Pflanzen.
Systematik bringt Ordnung ins Chaos
Die Systematik teilt Lebewesen in verschiedene, abgestufte Gruppen ein. Auch Pflanzen werden nach diesem System geordnet. Das ist wichtig, um den Überblick zu behalten und neue Arten unkompliziert in das System einzuordnen.
Entwickelt hat das bis heute international verwendete System Carl von Linée, einer der bedeutendsten Naturforscher des 18. Jahrhunderts. Er löste die Beschreibung einer Pflanze von dem Artnamen. Bis heute besteht die 1753 in seinem Werk Species Plantarum begründete zweiteilige Nomenklatur unverändert fort. Es konnte bis lang noch kein besseres System entwickelt werden, auch weil Linée damals ohne hochmoderne Gentechnik die Verwandtschaftsverhältnisse von Pflanzen in seiner Nomenklatur berücksichtigte und treffsicher durch reine Beobachtung erkannte.
So werden Pflanzen benannt
Der wissenschaftliche Name von Pflanzen ist oft dem Latein entlehnt, teilweise finden sich aber auch griechische oder sogar erfundene Wörter. Ungeachtet der eigentlichen Wortherkunft werden sie nach lateinischen Sprachregeln behandelt. Der erste Name wird großgeschrieben, der zweite klein und korrekterweise werden wissenschaftliche Namen in kursiv gesetzt.
Der Artname setzt sich immer aus zwei Teilen zusammen: dem Gattungsnamen und dem Artnamen. Oft wird noch der Entdecker durch ein Namenskürzel sichtbar kenntlich gemacht. L. für Linée ist dabei gar nicht so selten. Ein Beispiel: der Hausapfel heißt mit wissenschaftlichem Namen Malus sylvestris L..
Manchmal kommt es vor, dass zwei Entdecker als Kürzel genannt werden, das passiert, wenn Pflanzen durch neue Erkenntnisse einer anderen Gattung zugesprochen werden und sich deswegen ihr Name ändert. Der Waldmeister wurde von Linée Asperula odorata genannt, wurde aber von Botaniker Scopoli zur Gattung Galium versetzt. Deswegen lautet der wissenschaftliche Name von Waldmeister jetzt Galium odoratum (L.) Scop.
Von Rang und Name
Jede Pflanze, auch bisweilen unentdeckte, kann in das bestehende hierarchische System eingegliedert werden. Dabei zeichnen sich die höheren Ränge durch spezifische Endungen aus. Ein Beispiel:
Abteilung (-phyta): Magnoliophyta (Spermatophyta: Samenpflanzen)
Unter-Abteilung(-phytina): Magnoliophytina (Angiospermae: Bedecktsamer)
Klasse (-opsida): Magnoliopsida (Dicotyledones: Zweikeimblättler)
Ordnung (-ales): Solanales (Nachtschattenpflanzen)
Familie (-aceae): Solanaceae (Nachtschattengewächse)
Gattung: Solanum (Nachtschatten)
Art: Solanum lycopersicum L. (Tomate)
Manchmal wird der Artname mit spec. (lateinisch : species = deutsch : Art) abgekürzt. Das macht man, wenn es sich zwar um eine konkrete Art handelt, diese aber nicht genau bestimmt werden kann.
Pflanzenfamilien im Gemüsebeet
Für das praktische Gärtnern ist vor allem die Familie interessant. Oft, aber nicht immer, gleicht der Gattungsname dem Familiennamen. Wieder hilft ein Beispiel weiter, den Sachverhalt zu verstehen.
Unter den Kreuzblütlern (Brassicaceae) sind eine ganze Reihe von Nutzpflanzen zu finden:
Radieschen/ Rettich: Raphanus sativus
Asiasalat: Brassica juncea
Gelbsenf: Sinapsis alba
Gemüsekohl: Brassica oleraceae
Rübsen: Brassica rapa
Alle fünf Arten gehören der Familie Brassicaceae an, aber nur drei davon tragen den Familiennamen im Gattungsnamen (Brassica), Sinapsis und Raphanus sind auf den ersten Blick nicht direkt mit den übrigen Brassicaceae verwandt. Erst der Blick auf den Familiennamen offenbart die nahe Verwandtschaft.
Im Gemüsegarten hilft es ungemein weiter, nicht in Arten, sondern in Pflanzenfamilien zu denken. Gerade wenn es um das Thema Fruchtfolge und Mischkultur geht, ist es wichtig zu wissen, wer mit wem verwandt ist. Denn die einzelnen Familienmitglieder ähneln sich, was ihre Anfälligkeit für Krankheitserreger und Schädlinge angeht. Meistens gleichen sie sich sogar im Nährstoffbedarf und den Standortansprüchen, wobei es auch immer wieder Ausnahmen von dieser Regel gibt.
Gattung, Art, Unterart und Varietät
Bleiben wir bei den Kreuzblütlern Brassiceae und schauen uns den Rotkohl genauer an. Der wissenschaftliche Name von Rotkohl lautet: Brassica oleracea convar. capitata var. rubra L.
Brassica oleraceae (lat. brassica = Kohl; lat. olera = Gemüse) bedeutet soviel wie kreublütiger Gemüsekohl.
Das folgende „convar.“ steht für Konvarietät. Die Konvarietät beschreibt eine Zwischenkategorie und wird nur bei Kulturpflanzen genutzt. In diesem Fall ist die Konvarietät „capitata“ (lat. capitatus = mit einem Kopf versehen) also ein kopfbildender Kohl. Als Letztes folgt die Varietät „var.“, sie ist beschrieben als ein gemeinsames Merkmal. In diesem Fall die typische Rotfärbung „rubra“ (lat. rubrum = rot). Der wissenschaftliche Name vom Weißkohl ist Brassica oleracea convar. capitata var. alba und trägt bis auf die Varietät „alba“ (lat. albus = weiß) den gleichen Namen wie Rotkohl.
Die wichtigsten Pflanzenfamilien
Weltweit gibt es über 60 verschiedene Pflanzenfamilien, nur ein kleiner Teil von Ihnen ist für den Gärtner relevant. Hier finden die 16 wichtigsten Pflanzenfamilien und einige wichtige Arten. Die aufgeführten Arten sind exemplarisch und nicht vollständig.
Pflanzenfamilie |
Wichtige Arten |
Nachtschattengewächse / Solanaceae |
Paprika, Chili, Aubergine, Tomate, Kartoffeln |
Kreuzblütler/ Brassicaceae |
Gemüsekohl, Rettich/Radieschen, Kohlrübe, Asiasalat, Meerrettich, Senf, Wasabi |
Knöterichgewächse /Polygonaceae |
Rhabarber, Buchweizen, Sauerampfer |
Fuchsschwanzgewächse / Amaranthaceae |
Spinat, Mangold, Rote Beete, Melde |
Schmetterlingsblütler / Fabaceae |
Erbsen, Bohnen, Feuerbohnen, Sojabohnen, Lupinen, Linsen, Kichererbsen, Ginster |
Korbblütler / Asteraceae |
Gartensalat, Schwarzwurzel, Endivie, Löwenzahn, Sonnenblume, Zinnie, Kamille, Gänseblümchen, Topinambur |
Rosengewächse / Rosaceae |
Apfel, Birne, Rose, Erdbeere, Pflaume, Kirsche, Pfirsich |
Nelkengewächse / Caryophyllaceae |
Vogelmiere, Kornrade, Rauhe Nelke, Karthäuser-Nelke, Heide-Nelke |
Braunwurzgewächse / Scrophulariaceae |
Fettehenne, Fingerhut, Leinkraut, Augentrost, Ehrenpreis, Löwenkopf |
Kürbisgewächse / Cucurbitaceae |
Gurken, Kürbis, Melone, Zucchini, Luffa-Gurke, Feigenblattkürbis |
Lippenblütler / Lamiaceae |
Taubnessel, Knollenziest, Pfefferminze, Lavendel, Salbei, Majoran |
Liliengewächse / Liliaceae |
Spargel, Zwiebel, Porree, Knoblauch, Schalotte, Tulpen, Hyazinthen, Funkien, Taglinien |
Mohngewächse / Papaveraceae |
Mohn, Lerchensporn, Schöllkraut |
Hahnenfußgewächse / Ranunculaceae |
Ranunkeln, Eisenhut, Winterlinge, Christrose, Akelei, Rittersporn, Anemone |
Doldenblütler / Apiaceae |
Möhren, Pastinaken, Fenchel, Petersilie, Sellerie, Giersch |
Süßgräser / Poaceae |
Weizen, Hafer, Mais, Reis, Roggen, Hirse |
Art oder Sorte?
Neben den Pflanzenarten und -familien, die einem ermöglichen neue Pflanzen schnell in die Systematik einzufügen, gibt es bei Kulturpflanzen noch die Sorten.
Pflanzenarten kommen natürlich vor, während Sorten gezielt vom Menschen gezüchtet wurden. Vor allem von Kulturpflanzen gibt es teilweise die ursprüngliche Wildform nicht mehr. Ob und wie eine Sorte in Verkehr gebracht werden darf, regelt der Sortenschutz.
Die Aufgabe dieser Behörde liegt nicht darin, Saatgut zu verbieten, sondern nur Sorten zuzulassen, die in mindestens einem Merkmal bereits bestehenden Sorten überlegen sind. So wird sichergestellt, dass der Markt nicht von Sorten überflutet wird, die keinen Mehrwert versprechen.
Die Sortennamen dürfen heutzutage nicht mehr dem Latein entlehnt werden, um die Züchtungen klar von der wissenschaftlichen Nomenklatur zu unterscheiden.
So gibt es bei Rotkohl die Sorten ‚Kalibos‘ oder ‚Marner Frührot‘ usw. Bei alten Landsorten finden sich oft die Region im Sortennamen wieder, in der die Sorte gezüchtet wurde. In bestimmten Grenzen kann der Züchter jedoch den Namen frei wählen.
Fazit
Die Pflanzenwelt ist riesig und um sich darin zurechtzufinden, hilft die Systematik. In diesem System findet jede Pflanze ihren Platz. Da Arten, die zu einer Familie viele Merkmale teilen, erleichtert die Systematik auch die Arbeit im Gemüsebeet. Wenn man weiß, wer zu wem gehört, lässt sich die Mischkultur und Fruchtfolge viel leichter planen.
Betreff Lerchensporn
Der Lerchensporn aus der Familie der Mohngewächse und Unterfamilie der Erdrauchgewächse wurde benannt nach dem Singvogel Lerche und nicht nach dem Baum Lärche. Deshalb wird er nicht mit „ä“ sondern mit „e“ geschrieben .